Rezensionen
- eine Auswahl
selected reviews
Bildwerke
Von Dr. Uta Kuhl
Auszug aus dem Einführungsext des Katalogs:
Im Wandel begriffen
edition 42 galerie lüth pictus verlag 2023
"Die Bildhauerei ist die Kunst, die in den Raum hinein wirkt, sich als Form im Raum entfaltet und in ihrer Materialität dem Raum widersteht. Sie wirkt entscheidend durch ihre plastische Form, auch – oder gerade wenn – ihr Gegenstand abstrakt ist. Das sinnliche Empfinden des Raums, das Erleben der Dreidimensionalität ist ihr gestalterischer Ausgangspunkt. Oder wie Jarvis Helwig es für seine plastischen Arbeiten formuliert:
„Die Entscheidung für die Skulptur als Medium war mein kreativer Durchbruch. Das Dreidimensionale der Skulptur war es endlich, was mich ausfüllen konnte; […] ist im Raum mit mir, mit dem Licht und der Luft“
Daraus ergibt sich eine untrennbare Verbindung von Form und Inhalt, die für die Arbeiten Helwigs wesentlich ist. Dazu kommt als weiterer entscheidender Faktor die Wahl des Materials.
(...) Der genauere Blick offenbart jedoch, dass die Plastik aus Papiermaché aufgebaut ist, was ein überraschendes Spannungsfeld eröffnet: Nicht nur, weil sie in ihrer Materialität und Formensprache an organische, gewachsene Gebilde denken lässt. Spannung entsteht auch durch den Gegensatz zwischen der erstaunlichen Leichtigkeit und dem Jarvis Helwig – Bildwerke Uta Kuhl raumgreifenden Volumen der Werke, und ebenso zwischen der überraschenden Festigkeit und Widerständigkeit des Materials und der scheinbaren Fragilität und Dünnwandigkeit der einzelnen Elemente.
(...) Stärker als Stein oder Bronze öffnen die Gestaltungsmöglichkeiten des Papiermaché den Gedankenraum an Werden und Vergehen als unausweichliche Prozesse in der Natur, an die Vergänglichkeit allen Lebens – Vanitas.
Die fließenden Formen, die organische Anmutung vieler Arbeiten und erst recht die Verletzungen der Form durch Löcher tun ein übriges, um in der schwingenden Leichtigkeit von Jarvis‘ Plastiken eine Momentaufnahme innerhalb eines Prozesses zu erkennen, gleichsam ein abstraktes, skulpturales Vanitas-Stillleben:
"Rhythmus ist das Fließen und Strömen,
ist die Bewegung der Welle, ist
Rausch ist Alles auf einmal und Nichts,
[…] in weiß und rot und rosa,
ist die Schwingung der Welle, ist
Zeit ist Veränderung, ist Vergangenes
und Zukünftiges vereint im Moment,
ist die Krümmung der Welle,
ist Anfang und Ende, ist
Dazwischen.""
Imagery
by Dr. Uta Kuhl
excerpt from the introductory text of the catalog:
Im Wandel begriffen
edition 42 galerie lüth pictus verlag 2023
"Sculpture is the art that acts into the room, unfolding as a form and resisting the environment by its materiality. It has a decisive effect through its sculptural form, even if - or especially if - its subject matter is abstract. The sensual perception of a space, the experience of three-dimensionality is its creative source. Or as Jarvis Helwig defines it for his sculptural work:
"The decision for sculpture as a media was my creative breakthrough. The three-dimensionality of sculpture was finally what could complete me; [...]
is in the room with me, with the light and the air"
This results in an inseparable connection between form and content, which is essential for Helwig's work. Another decisive factor is the choice of material.
(...) However, a closer look reveals that the sculpture is made of paper-mâché, which opens up a surprising spectrum: Not only because its materiality and formal language is reminiscent of organic, grown structures. Tension is also created by the contrast between the astonishing lightness and the expansive volume of the works, and also between the unexpected strength and resistance of the material and the apparent fragility and thinness of the single elements.
(...)More so than stone or bronze, the shaping possibilities of paper-mâché open up the consideration of growth and decay as unavoidable processes in nature, of the transience of all life – vanitas.
The flowing forms, the organic appearance of many works and, above all, the violations of form through holes do the rest. In order to recognize in the swinging lightness of Jarvis' sculptures a moment within a process, an abstract, sculptural vanitas still life, as it were:
"Rhythm is the flowing and streaming,
is the movement of the wave, is
rush is everything at once and nothing,
[...] in white and red and pink,
is the swinging of the wave, is
time is change, is the past and the future
and the future united in one moment,
is the inflection of the wave,
is the beginning and the end, is
in-between.""
Ursprünge
Von Dr. Karin Tuxhorn
Auszug aus dem Einführungsext zur Ausstellung Ursprünge
Ellen Ribbe und Jarvis Helwig / Galerie Lüth 2025
"Jarvis Helwig und Ellen Ribbe:
Ursprünge - so der Titel dieser Ausstellung.
Zeichnungen und Skulpturen werden zusammen gebracht, und sie gehen einen Dialog auf Augenhöhe, gleichberechtigt und symbiotisch ein. Sie ergänzen sich kraftvoll und sind miteinander dynamisch. Beide Künstler senden ihre eigene Botschaft, ihre Kunst spricht ihre eigene Sprache, und diese gemalte Bild- bzw Skulpturensprache vermag uns zu faszinieren, denn man kann die Künstlerseele erkennen, da beide ihre eigene künstlerische Position gefunden haben. Kunst beginnt da, wo Worte nicht ausreichen, wo sich Gedanken und Ideen sinnbildlich verkleiden und wo man hinter die Dinge blicken muss.
So sagt Jarvis Helwig:
"Kreativität ist ein Zusammenspiel von Intention und einem Zulassen des Unvorhergesehenen, wie ein Fluss.
Und man steigt niemals gleich aus diesem Fluss heraus; man entwickelt sich – fließend."
(...) Und Jarvis Helwig traut sich zu zerstören.
In seinen Kunstobjekten existieren Löcher, Risse, Freiräume. Diese werden – anders als bei Ribbe, - wir erinnern uns, der Stift führt die Hand – diese Freiräume werden von Jarvis Helwig von Beginn an, in der ersten Schicht der Papiermasse bereits geplant. So entsteht eine Leichtigkeit in den Objekten, die den Betrachter ehrfurchtsvoll von einer Berührung absehen lässt. Dennoch sind die Skulpturen Helwigs voller Haltbarkeit und Elastizität, sie sind nicht filigran zerbrechlich, obwohl sie so wirken, sie sind gefüllt mit Spannung und Konzentration, sie sind pure Energie, sie sind nachhaltig, sie schonen Ressourcen und sie sind auch abstrakt – obwohl sie mit Titeln bzw. Namen versehen werden.
(...) Jarvis Helwig sieht etwas, was wir vielleicht -noch- nicht sehen, aber wir können dieses ETWAS durch ihn finden. Helwig hat seine eigene Formsprache und Kunst-Identität gefunden. Auch in seinen Skulpturen kann man Spuren suchen, Spuren wie zum Beispiel das Fundament und das Werk und der Name zusammengefunden haben könnten. Spuren, ob die Farbgebung die Bedeutung verstärkt, verändert, ergänzt oder gar ausschlaggebend für das Objekt ist?
Wenn man einfach nur schaut, genießt und nicht in kunsthistorischen Kategorien analysiert, dann erkennt man Perspektiven, die einen erfreuen, über die man diskutieren möchte. Und genau das ist ja der richtige Weg von Kunst, Kunst soll mit uns sprechen.
An der Kunst von Jarvis Helwig kann man sich erfreuen, wir können wunderbar über diese filigranen Objekte diskutieren und unsere Gedanken gleiten lassen und wir können lernen, unsere Blickwinkel zu schärfen, normatives Denken einfach mal sein zu lassen und Metaebenen, Transformationen oder Metamorphosen zu genießen."
Sources
by Dr. Karin Tuxhorn
excerpt from the introductory text to the exhibition Sources
Ellen Ribbe and Jarvis Helwig / Gallery Lüth 2025
"Jarvis Helwig and Ellen Ribbe:
Origins is the title of this exhibition
Drawings and sculptures are brought together and enter into a dialog at eye level, on an equal footing and symbiotically. They complement each other perfectly and are dynamic together. Both artists communicate their own message, their art speaks its own language, and this painted pictorial or sculptural language is able to fascinate us, because we can recognize the artist's soul, as both have found their own artistic position. Art begins where words are not enough, where thoughts and ideas are symbolically disguised and where you have to look behind and beyond things.
Jarvis Helwig says:
"Creativity is an alliance of intention and admittance of the unpredictable, like a river.
And you never get out of it the very same;
you unfold - fluently."
(...) And Jarvis Helwig dares to destroy.
There are holes, cracks, open spaces in his art objects. Unlike in Ribbe's work - remember, the pencil leads the hand - these free spaces are planned by Jarvis Helwig right from the start, in the first layer of paper pulp. This creates a lightness in the objects that makes the viewer reverently refrain from touching them. Nevertheless, Helwig's sculptures are full of durability and elasticity, they are not delicately fragile, although they appear that way, they are filled with tension and concentration, they are pure energy, they are sustainable, they conserve resources and they are also abstract - although they are given titles or names.
(...) Jarvis Helwig sees something that we may not -yet- see, but we can find this SOMETHING thanks to him. Helwig has reached his own formal language and artistic identity. You can also look for traces in his sculptures, traces of how, for example, the base and the piece and the name could have come together. Traces of whether the colouring intensifies, changes, amends or is even decisive for the object?
If you simply look, enjoy and do not analyze in art-historical categories, then you will recognize perspectives that delight you, that you want to discuss. And that's exactly the right way for art to act - art should speak to us.
We can enjoy Jarvis Helwig's art, we can have wonderful discussions about these filigree objects and let our thoughts drift, and we can learn to sharpen our perspectives, simply let go of normative thinking and enjoy meta-levels, transformations or metamorphoses."
Par hasard
Von Detlef Schlagheck
Auszug aus dem Einführungsext zur Ausstellung par hasard
Wohnraumgalerie 16 / Kiel 2023
"Jarvis Helwig
(...) Sein Material findet er in der Kombination von Papierfasermasse und Drahtgeflecht. Am Ende des Formungsprozesses überzieht er die Skulptur mit Farbe. Er bemalt sie. Jarvis betont, daß sich seine Kunst innerhalb eines Recyclingprozesses befindet. Die papierene Haut war einmal Zeitung und Buchstaben. Text. In einigen seiner Skulpturen verwendet er auch Möbel, die durch seinen Eingriff weiterentwickelt werden. Ein bestimmter, nämlich der Möbelkontext, wird zwar nicht aufgehoben, aber sozusagen geöffnet. Stets wollen wir die Welt begreifen und einordnen, um uns sicher durch unser Leben zu bewegen.
Durch Jarvis Überformung und Gestaltung sind wir allerdings verunsichert und herausgefordert, einen neuen Sinnzusammenhang herzustellen, um die besagte Sicherheit wieder zurück zu gewinnen. Es
gestaltet sich sozusagen wie eine Art nicht auflösbares Rätsel. Und eben das macht Jarvis Arbeiten spannend. Es liegt an jedem Einzelnen und innerhalb seines persönlichen Erfahrungsbereiches sich dem Rätsel zu stellen. Das bereitet sozusagen eine Form persönlichen Genusses, der uns an Helwigs Arbeiten hält."
par hasard
by Detlef Schlagheck
excerpt from the introductory text to the exhibition par hasard
Wohnraumgalerie 16 / Kiel 2023
"Jarvis Helwig
(...) He derives his material from the combination of paper fiber mass and wire mesh. At the end of the forming process, he covers the sculpture with colour. He paints it. Jarvis emphasizes that his art is part of a recycling process. The paper skin was once newspaper and letters. Text. In some of his sculptures he also uses furniture, which is further developed by his intervention. A certain context, namely the furniture context, is not eliminated, but opened up, so to speak. We always want to understand and categorize the world in order to move safely through our lives.
However, Jarvis' transformation and design make us feel insecure and challenge us to create a new context of meaning in order to regain the feeling of security. It is like a kind of unsolvable mystery, so to speak. And that is precisely what makes Jarvis' work so exciting. It is up to each individual and within their personal sphere of experience to confront the mystery. This provides a form of personal delight, so to speak, which keeps us involved in Helwig's work."
Ein Künstler "Im Rausch der Welle"
Von Sonja Wenzel
Auszug aus dem Artikel zur Ausstellung Im Rausch der Welle
Friesenanzeiger 2022
„(...) Die Kunstobjekte, die den Titel „Rhythmen“ tragen, prangen in Gouache- und Acrylfarben: zart blaugrau geädertes Rot, mit Gold durchschimmerndes Grün oder erdiges Braun. Manche Skulpturen wirken wie mit Velours überzogen.
(...)„Im Rausch der Welle“ ist offen für jedwede Deutung, letztlich eine individuelle , eigenwillige Interpretation der immerwährenden Wellenbewegung, die es lohnt, betrachtet und verinnerlicht zu werden.
Es ist mehr als nur symbolhaft sich erhebendes und überschlagendes Wasser, sich auftürmend und auflösend, wirbelnd, zerfransend – und zu neuen Strukturen findend; es ist eher die in geformtem Papier erstarrte – und doch so bewegliche – Wellenbewegung, die so vielen irdischen Vorgängen eigen ist, immer wiederkehrend und doch immer wieder anders."
An artist in "The whoosh of the wave"
by Sonja Wenzel
excerpt from the article on the exhibition The whoosh of the wave
Friesenanzeiger 2022
“(...) The art objects, which carry the title ”Rhythms", are tangible in gouache and acrylic colours: delicately blue-grey veined red, green shimmering through with gold or earthy brown. Some sculptures seem to be covered in velour. (...)
“Im Rausch der Welle” is open to any interpretation, ultimately an individual, idiosyncratic interpretation of the perpetual movement of waves that is worth contemplating and internalizing.
It is more than just symbolically rising and breaking water, tumbling and flowing, swirling, fraying - and forming new structures; it is rather the wave movement solidified in molded paper - and yet so mobile - that is characteristic of so many earthly processes, always recurring and yet always different."